1. Gewinnausschüttung I Minderheitsgesellschafter ist grundsätzlich schlechter gestellt
Wer sich minderheitlich an einer GmbH beteiligt, muss damit rechnen, dass er überstimmt und dabei boshaft benachteiligt wird. Der Minderheitsgesellschafter hat keinen Anspruch darauf, seine Meinung der Mehrheit aufzuzwingen oder seine Rechtsposition auf Kosten der Gesellschaftermehrheit zu verbessern. Gegen Eingriffe in seine mitgliedschaftlichen Rechte ist ein Minderheitsgesellschafter hingegen nicht völlig schutzlos. Um so ein mitgliedschaftliches Recht handelt es sich bei dem Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags nach § 29 Abs. 1 S. 1 GmbHG.
2. boshaftes Aushungern
Aushungern bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Gesellschaftermehrheit Gewinnausschüttungen zum Nachteil des Minderheitsgesellschafters über einen längeren Zeitraum verhindert.
Hierzu kann die Mehrheit zunächst die notwendigen Gesellschafterbeschlüsse für eine Gewinnausschüttung blockieren und damit eine Gewinnausschüttung verhindern (siehe 2.1.).
Die Gesellschaftermehrheit kann aber auch die notwendigen Gesellschafterbeschlüsse dahingehend fassen, dass die ausschüttungsfähigen Gewinne in die Gewinnrücklagen eingestellt oder als Gewinnvortrag ausgewiesen werden (Thesaurierung, siehe 2.2.), so dass es keine Ausschüttung gibt.
Insbesondere Mehrheitsgesellschafter, die gleichzeitig das Amt des Geschäftsführers inne haben, nutzen das gezielte Aushungern von (unliebsamen) Minderheitsgesellschaftern, um diese auf die Linie der Mehrheit zu bringen bzw. um den Minderheitsgesellschafter schließlich gegen eine geringe Abfindung aus der Gesellschaft zu drängen. Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer sind nämlich nicht im gleichen Maße wie Minderheitsgesellschafter auf Ausschüttungen angewiesen, da sie in der Regel ihren Lebensunterhalt aus dem Geschäftsführergehalt bestreiten können.
2.1. Aushungern durch Verhinderung der Beschlussfassung
Nach § 29 Abs.1 GmbHG haben die Gesellschafter grundsätzlich einen Anspruch auf die ausschüttungsfähigen Gewinne.
Die Voraussetzungen für eine Ausschüttung sind:
- die Aufstellung des Jahresabschlusses (durch Geschäftsführung, § 42a Abs. 1 S. 1 GmbHG)
- die Feststellung des Jahresabschlusses, der einen Gewinn ausweist (durch Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 1 GmbHG)
- ein Ergebnisverwendungsbeschluss, der eine Ausschüttung an die Gesellschafter vorsieht (durch Gesellschafterversammlung, § 46 Nr. 1 GmbHG).
Bereits an dieser Stelle kann die Mehrheit eine Ausschüttung verhindern, indem sie schlicht die Beschlussfassung blockiert (sogenannte kalte Thesaurierung). Ohne diese Beschlüsse haben die Gesellschafter (von Ausnahmen abgesehen) grundsätzlich keinen Anspruch auf eine Gewinnausschüttung/Gewinnauszahlung.
2.2. Aushungern durch Thesaurierung
Der Anspruch der Gesellschafter auf Gewinnausschüttung aus § 29 Abs. 1 GmbHG ist dispositiv, also in das Belieben der Gesellschaftermehrheit gestellt. Ist der Jahresabschluss, der einen Gewinn ausweist, aufgestellt und festgestellt, können die Gesellschafter nach § 29 Abs. 2 GmbHG mit einfacher Mehrheit den gesamten ausschüttungsfähigen Gewinn thesaurieren. Der ausschüttungsfähige Gewinn wird dann in die Gewinnrücklagen eingestellt oder als Gewinnvortrag ausgewiesen und es kommt zu keiner Ausschüttung an die Gesellschafter.
3. Schutz vor dem Aushungern
Schutz vor dem Aushungern kann am effektivsten vor Eintritt als Minderheitsgesellschafter in die Gesellschaft erreicht werden, indem man vor Eintritt die Satzung auf minderheitenschützende Regelungen untersucht. (siehe 3.1.). Sollte die Satzung keine minderheitenschützende Regelungen enthalten, ist der Minderheitsgesellschafter zwar nicht völlig schutzlos, die Hürden die er nehmen muss, aber höher. Wenn die Gesellschaftermehrheit die unter 2.1. genannten Beschlüsse blockiert und damit eine Ausschüttung verhindert, kann die Minderheit die Mehrheit zwingen, die entsprechenden Beschlüsse zu fassen, Einfluss auf den Inhalt der Beschlüsse hat der Minderheitsgesellschafter aber nicht (siehe 3.2.). Wenn die Gesellschaftermehrheit ausschüttungsfähige Gewinne in treuwidriger Weise thesauriert, kann der Minderheitsgesellschafter gegen diesen Thesaurierungsbeschluss gerichtlich vorgehen; eine treuwidrige Thesaurierung nehmen die Gerichte jedoch nicht leichtfertig an (siehe 3.3.).
3.1. Vor dem Eintritt in die Gesellschaft
Will man sich als Minderheitsgesellschafter an einer GmbH beteiligen, sollte man unbedingt darauf achten, dass nach der Satzung der ausschüttungsfähige Gewinn ganz bzw. zum Teil auszuschütten ist. Im besten Fall sollte auch die Durchsetzung des Gewinnanspruchs in der Satzung geregelt sein. Folgende Formulierung ist in solchen Fällen gebräuchlich:
„Wird der von der Geschäftsführung aufgestellte Jahresabschluss nicht innerhalb der gesetzlichen Fristen nach § 42a Abs. 2 GmbHG von der Gesellschafterversammlung festgestellt und beschließt diese nicht innerhalb dieser Fristen über die Ergebnisverwendung, ist der im aufgestellten Jahresabschluss ausgewiesene Jahresüberschuss ohne weitere Voraussetzungen vollständig an die Gesellschafter auszuschütten.
Die Gesellschafterversammlung kann nach Ablauf dieser Fristen abweichende Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses und die Gewinnverwendung nur dann fassen, wenn sie bis zum Zeitpunkt der verspäteten wirksamen Feststellung des Jahresabschlusses und der verspäteten wirksamen Ergebnisverwendung aus objektiven Gründen an diesen wirksamen Beschlussfassungen gehindert war und die Voraussetzungen für eine zwingende Thesaurierung des Jahresüberschusses oder des Gewinnvortrags objektiv vorliegen. Der Gesellschaft obliegt die Vortrags- und Beweislast für die Voraussetzungen nach Satz 2.“
3.2. Bei blockieren der Beschlüsse
3.2.1. Aufstellung des Jahresabschlusses
Da die Aufstellung des Jahresabschlusses Sache der Geschäftsführung ist (§ 42a Abs. 1 S. 1 GmbHG) ist die Einflussmöglichkeit der Gesellschafter(-mehrheit) hier sehr gering. Auch wenn die Gesellschaftermehrheit die Geschäftsführung inne haben sollte, scheitert eine Ausschüttung selten an der Aufstellung des Jahresabschlusses. Das Unterlassen der Aufstellung des Jahresabschlusses durch den Geschäftsführer stellt einen wichtigen Grund zu dessen Abberufung dar (KG, Urteil vom 11.08.2011 – 23 U 114/11). Da der zu abberufende Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer bei seiner Abberufung grundsätzlich einem Stimmverbot nach § 47 Abs. 3 GmbHG unterliegt (BGH, Urteil vom 04.04.2017 – II ZR 77/16), wird er sich davor hüten, pflichtwidrig die Aufstellung des Jahresabschlusses zu unterlassen und sich damit in die Gefahr einer Abberufung zu begeben.
3.2.2. Feststellung des Jahresabschlusses und Ergebnisverwendungsbeschluss
Die Gesellschafter haben einen Anspruch auf Feststellung des Jahresabschlusses (BGH, Urteil vom 14.09.1998 – II ZR 172/97) und einen Ergebnisverwendungsbeschluss (für die AG: BGH, Urteil vom 15.11.1993 – II ZR 235/92; OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2001 – 17 U 200/00).
Mit diesem Anspruch ist den Minderheitsgesellschaftern aber nicht viel geholfen, weil sie weder einen Anspruch auf Feststellung eines bestimmten Jahresabschlusses haben, noch auf den Inhalt des Ergebnisverwendungsbeschlusses Einfluss nehmen können (OLG Düsseldorf, Urteil vom 29.06.2001 – 17 U 200/00). Dementsprechend kompliziert ist in solchen Fällen effektiver Rechtsschutz. Wir stehen Ihnen hier gerne zur Seite.
3.3. Thesaurierungsbeschluss
Auch wenn die Ergebnisverwendung gemäß § 29 Abs. 2 GmbHG in das Ermessen der Gesellschafter und damit der Mehrheit gestellt ist, kann die Mehrheit von ihrem Ermessen nicht unbegrenzt und ohne Rücksicht auf die Ausschüttungsinteressen der Minderheitsgesellschafter Gebrauch machen. Insbesondere das bewusste Aushungern von Minderheitsgesellschaftern verstößt gegen die gesellschafterliche Treuepflicht (OLG Brandenburg, Urteil vom 31.03.2009 – 6 U 4/08; OLG Nürnberg, Urteil vom 09.07.2008 – 12 U 690/07; OLG Hamm, Urteil vom 03.07.1991 – 8 U 11/91). Diese Treuepflicht besteht nicht nur zwischen Gesellschafter und Gesellschaft, sondern auch zwischen den Gesellschaftern (BGH, Urteil vom 05.06.1975 – II ZR 23/74). Naturgemäß ist es schwierig, der Gesellschaftermehrheit eine solche Absicht nachzuweisen.
3.3.1. Treuepflicht
Anknüpfungspunkt für die Treuepflicht ist die Berücksichtigung einer schützenswerten Erwartungshaltung der Minderheitsgesellschafter, die sich aus der konkreten Lage und Entwicklung der Gesellschaft sowie ihrer Verhältnisse ableiten lässt (OLG Nürnberg, Urteil vom 09.07.2008 – 12 U 690/07; OLG Hamm, Urteil vom 06.07.1988 – 8 U 315/86; Mock in MHLS GmbHG, § 29 Rn. 185).
Gegeneinander abzuwägen sind das Ausschüttungsinteresse der (Minderheits-) Gesellschafter und das Selbstfinanzierungsinteresse der Gesellschaft und das Bedürfnis das Zukunftssicherung der Gesellschaft.
Ein allgemeiner Vorrang der Thesaurierungsinteressen der Gesellschaft vor den Ausschüttungsinteressen der (Minderheits-) Gesellschafter besteht nicht (BGH, Urteil vom 29.03.1996 – II ZR 263/94).
3.3.2. Interessenabwägung
3.3.2.1. Selbstfinanzierungsinteresse der Gesellschaft
Im Rahmen der Interessenabwägung sind auf Seiten der Gesellschaft (Selbstfinanzierungsinteresse) zu beachten (OLG Nürnberg, Urteil vom 09.07.2008 – 12 U 690/07)
- Unternehmensgegenstand und die zu seiner Verfolgung erforderlichen Mittel einschließlich einer angemessenen (Investitions-)Planung für die weitere Entwicklung
- die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft
- die Ausstattung mit Eigenkapital
- die Höhe und Verfügbarkeit schon vorhandener Rücklagen
- die Kreditfähigkeit der Gesellschaft und die Art der Ausschöpfung bereits aufgenommener Kredite
- Höhe und Laufzeit von Verbindlichkeiten
- die allgemeine Wirtschaftslage und Marksituation und die Zukunftsprognose für den jeweiligen Wirtschaftszeig
- Erforderlichkeit von Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen
3.3.2.2. Ausschüttungsinteresse der Gesellschafter
Auf Seiten der Minderheitsgesellschafter (Ausschüttungsinteresse) sind zu beachten:
Die wirtschaftliche Situation der Minderheitsgesellschafter ist in die Entscheidung einzubeziehen. Im Fall des OLG Brandenburg, Urteil vom 31.03.2009 – 6 U 4/08 erwarb der Gesellschafter A einen Minderheitsanteil an einer GmbH. A war seinerzeit in der Buchhaltung der Gesellschaft tätig und konnte sich von dem Gehalt den Erwerb der Anteile nicht leisten. Zur Finanzierung des Kaufpreises stellte ihm die Gesellschaft daher ein Darlehen zur Verfügung. A als Buchhalter der Gesellschaft wusste, dass die Gesellschaft in den Vorjahren regelmäßig Gewinne ausschüttete und vertraute daher auf die Gewinnausschüttungen um das Darlehen zurückzahlen zu können. Obwohl in den Vorjahren regelmäßig Gewinne ausgeschüttet worden sind, thesaurierte die Gesellschafterversammlung ab dem Eintritt des A in drei aufeinanderfolgenden Jahren jegliche Gewinne und stellte das dem A gewährte Darlehen fällig. A konnte das Darlehen nicht zurückzahlen und die Gesellschaft hat A auf Rückzahlung verklagt. Das OLG Brandenburg hat daraufhin die Klage der Gesellschaft auf Rückzahlung des Darlehens mit der Begründung abgewiesen, dass die Gesellschaft in treuwidriger Weise Gewinne, die der A zur Rückzahlung des Darlehens benötigte und auf die er vertrauen konnte, thesauriert hatte.
Das Interesse an einer angemessenen Rendite für den Kapitaleinsatz, insbesondere unter Berücksichtigung von Ausmaß und Höhe früherer Gewinnausschüttungen ist zu berücksichtigen (OLG Nürnberg, Urteil vom 09.07.2008 – 12 U 690/07).
Gegebenenfalls sind die aus der Beteiligung herrührenden Steuerlasten des Gesellschafters in die Abwägung einzubeziehen. Zwar muss der GmbH-Gesellschafter bloß auf ausgeschüttete Ergebnisanteile Ertragssteuern zahlen und nicht (wie der Gesellschafter einer Personengesellschaft) schon auf zugeschriebene, aber nicht ausgeschüttete. Aber Bedeutung kann auch in der GmbH die Erbschaftssteuer insbesondere dann gewinnen, wenn über Jahre hinweg die Jahresergebnisse der Gesellschaft einbehalten und damit die Geschäftsanteile immer wertvoller geworden sind. In einem solchen Fall kann die Steuerschuld im Erbfall solche Höhen erreichen, dass sie für die Erben kaum finanzierbar wird.
Ob eine Thesaurierung den Minderheitsgesellschafter in seinen Rechten verletzt, kann folglich nicht pauschal beantwortet werden, sondern ist im Einzelfall zu prüfen.
3.4. Gerichtliche Durchsetzung des Gewinnbezugsrechts
Zunächst muss ein bereits gefasster Thesaurierungsbeschluss angefochten werden. Wie oben dargestellt, sind hier hohe Hürden zu nehmen. So schwierig die Anfechtung eines bereits gefassten Thesaurierungsbeschlusses auch ist, bildet sie lediglich den ersten Schritt für die vom Minderheitsgesellschafter gewünschte Gewinnausschüttung. Denn allein, die wirksame Anfechtung des Thesaurierungsbeschlusses führt noch zu keinem Gewinnauszahlungsanspruch (siehe oben unter 2.1.). Nach wie vor fehlt es an einem Ergebnisverwendungsbeschluss, der eine Ausschüttung an die Gesellschafter vorsieht. Nach herrschender Meinung muss der Minderheitsgesellschafter also zur Durchsetzung seines Gewinnbezugsrechts in der Gesellschafterversammlung über einen Beschlussvorschlag zur Gewinnausschüttung abstimmen lassen (wie das geht, erfahren Sie hier: Ergänzungsverlangen nach § 50 Abs. 2 GmbHG). Wird sein Vorschlag abgelehnt, kann er den Beschluss anfechten und zugleich im Wege der positiven Beschlussfeststellungsklage das Zustandekommen des Ausschüttungsbeschlusses feststellen lassen, wenn die Ablehnung durch die Mehrheit treuwidrig war (OLG Nürnberg, Urteil vom 09.07.2008 – 12 U 690/07).
Hört sich kompliziert an? Ist es auch! Wir stehen Ihnen mit unserer jahrelangen Erfahrung in ähnlichen Fällen gerne zur Seite.