Eine Gesellschafterliste stand im Mittelpunkt einer einstweiligen Verfügung im Zusammenhang mit einer Einziehung eines Geschäftsanteils nach § 34 GmbHG.
Der Fall
(stark vereinfacht)
Der Geschäftsführer und Gesellschafter A einer GmbH (Start-up) wurde wegen „Datenklau(s)“ als Geschäftsführer der GmbH mit sofortiger Wirkung abberufen und sein Anstellungsvertrag aus wichtigem Grund fristlos gekündigt.
Sieben Monate später wurden die Geschäftsanteile des A an der GmbH nach § 34 GmbHG in Verbindung mit dem Gesellschaftsvertrag eingezogen.
A wehrte sich gegen seinen Ausschluss aus der GmbH im vorläufigen Rechtsschutz. A verlangte, dass er
- als Gesellschafter der GmbH mit allen Rechten und Pflichten – ausgenommen das ruhende Stimmrecht – behandelt und
-
die GmbH verpflichtet wird, eine korrigierte Gesellschafterliste zur Aufnahme im Handelsregister des Amtsgerichts München einzureichen, in der A wieder als Gesellschafter der GmbH mit seiner Beteiligung von EUR 5.040,00 am Stammkapital genannt ist.
Das Urteil
A hatte vor dem OLG München Erfolg, weil eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass die Einziehung rechtswidrig ist und damit im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben wird.
1.
Das OLG München stellte fest, dass es an einem wichtigen Grund für die Zwangseinziehung des Geschäftsanteils des A an der GmbH fehlt.
A ist deshalb mangels wirksamen Ausschlusses Gesellschafter der GmbH geblieben und ist auch als Gesellschafter zu behandeln. Dass der gefasste Gesellschafterbeschluss bis zu einer etwaigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren formal wirksam ist, ändert nichts daran, dass der Beschluss im Falle des Erfolgs der Anfechtungsklage mit Wirkung ex tunc für nichtig erklärt wird.
2.
A kann die Änderung der Liste der Gesellschafter der GmbH zu seinen Lasten verhindern. Sollte die geänderte Gesellschafterliste (also ohne A zu benennen) bereits beim Handelsregister hinterlegt worden sein, kann A die Änderung der Änderung verlangen und durchsetzen, dass die Gesellschafterliste ihn als Gesellschafter der GmbH wie zuvor aufführt.
Änderung der Gesellschafterliste zu Lasten des A
Dem … „von einer möglicherweise fehlerhaften Einziehung seines Geschäftsanteils betroffenen Gesellschafter [muss …] daher ein effektives Mittel zur Verfügung gestellt werden, seine Entrechtung in der Gesellschaft während der Dauer des Rechtsstreits über die Einziehung zu verhindern …“ Der Gesellschafter kann gegen die GmbH ein Verbot durchsetzen, „eine neue Gesellschafterliste, in der er nicht mehr aufgeführt ist, bei dem Registergericht einzureichen.“ siehe BGH, Urteil vom 02.07.2019 – II ZR 406/17
Rolle rückwärts zum status quo vor der Änderung der Gesellschafterliste
Auch eine Korrektur der bereits geänderten Liste der Gesellschafter ist durchsetzbar.
„Die Korrektur der geänderten Gesellschafterliste folgt dem dogmatischen Ansatz des BGH, der der positiven und negativen Legitimationswirkung derselben (§ 16 Abs. 1 GmbHG) einen hohen Stellenwert beimisst. Ein Auseinanderfallen der Anordnung der Mitwirkung der Antragstellerin als Gesellschafterin und der beim Handelsregister eingereichten Gesellschafterliste gilt es zu vermeiden …. Im Übrigen ist nicht einzusehen, einen Anspruch auf Korrektur der bereits eingereichten Gesellschafterliste zu versagen, wenn der BGH in seiner bereits zitierten Entscheidung … den komplementären Anspruch auf einstweilige Untersagung der Eintragung der geänderten Gesellschafterliste anerkennt. Anderenfalls wäre es von zeitlichen Zufälligkeiten abhängig, ob aufgrund eines in der Hauptsache umstrittenen Gesellschafterbeschlusses eine diesem Beschluss folgende Gesellschafterliste im Handelsregister eingetragen wird bzw. in selbigem unkorrigiert verbleibt. Regelmäßig hätte es die Gesellschaft in der Hand, durch schnellen Vollzug ihr günstige Fakten zu schaffen. Dies kann jedenfalls dann nicht hingenommen werden, wenn sich – wie hier – die Antragstellerin unmittelbar nach dem Beschluss um eine Verhinderung der Eintragung in das Handelsregister bemüht.“ OLG München, Beschluss vom 18.05.2021 – 7 W 718/21
Unser Hinweis
Das OLG München setzte sich im vorläufigen Rechtsschutz intensiv mit der Frage auseinander, ob ein wichtiger Grund für die Zwangseinziehung der Geschäftsanteile des A an der GmbH vorlag.
Einen wichtigen Grund für eine Einziehung der Geschäftsanteile verneinte das Gericht.
Im Mittelpunkt des Streits stand der Vorwurf, dass sich A als Geschäftsführer der GmbH hochsensible und geheimhaltungsbedürftige Firmendaten auf einen Laptop und ein weiteres Speichermedium herunterlud.
Das Gericht sah in dem Download keinen erheblichen wichtigen Grund zu Lasten des A. A habe sich keine Daten verschafft, auf die er nicht ohnehin als Geschäftsführer Zugriff hatte.
A habe die Daten nicht etwa Dritten zur Verfügung gestellt oder sie selbst rechtswidrig zum Schaden der Gesellschaft genutzt.
Es ist zu bemerken, dass A wesentliche Daten aus seiner Geschäftsführertätigkeit auch ohne Download kannte, er insoweit nicht auf eine Kopie der Daten angewiesen war.
Gegen einen Missbrauch spricht, dass A die verwendeten Datenträger bereits nach kurzer Zeit, nämlich anlässlich seiner Ablösung als Geschäftsführer zurückgab und die Datenrückgabe eidesstattlich versicherte.
„Im Übrigen erscheint nicht unplausibel, dass der Geschäftsführer im Falle einer Eskalation eine Sperrung seines Datenzugriffs befürchtete, zugleich aber subjektiv der Ansicht war, sich Daten zur Vorbereitung einer effektiven rechtlichen Beratung sichern zu müssen. So war bereits damals absehbar, dass es bei einem Auseinandergehen zu Differenzen über den Wert der Beteiligung der Antragstellerin kommen würde.“
In der Gesamtschau wiegt der Zugriff auf Daten ohne konkreten Missbrauch zum Schaden der Gesellschaft jedenfalls mit Blick auf die unverzügliche Rückgabe der Speichermedien anlässlich der Beendigung seiner Geschäftsführerstellung und der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht so schwer, dass er rechtfertigen könnte, auch das Gesellschafterverhältnis zu beenden.
Der Download war ein erstmaliger und einmaliger Pflichtenverstoß des A.
Die GmbH hielt den Pflichtenverstoß nicht für so schwerwiegend, dass sie eine sofortige Einziehung der Gesellschafteranteile des A für zwingend ansah. Auffällig ist auch, dass sich die Antragsgegnerin immerhin mehr als 7 Monate Zeit ließ (und sogar noch drei Monate seit dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen), bis sie schlussendlich einen Einziehungsbeschluss fasste.
Thüringen 2021