Pattsituation bei Gewinnausschüttung

Eine Pattsituation ist bei einem Gesellschafterbeschluss zur Gewinnausschüttung in der GmbH oft Gegenstand von Gesellschafterstreitigkeiten. Sind in der GmbH die Geschäftsanteile paritätisch verteilt, entstehen dies typischen Pattsituationen, die nur schwer auflösbar sind. Die Zwei-Personen-GmbH mit je zur Hälfte beteiligten Gesellschaftern oder Gesellschaftergruppen (z.B. Familienstämme) mit 50%-50% Beteiligungen sind besonders streitanfällig.

In der Praxis sind die Gesellschafter regelmäßig uneins, ob bzw. in welcher Höhe Gewinne ausgeschüttet werden sollen. Während

  • die eine Hälfte die Eigenkapitalquote erhalten oder stärken will,
  • möchte der andere Teil eine hohe Ausschüttung erreichen.

Ohne Einigung entsteht zunächst eine Pattsituation zur Frage der Gewinnausschüttung, in der Folge oft auch – emotional getrieben – bei anderweitigen Beschlüssen.

Gesetzliche Regelung in § 29 GmbHG

Nach § 29 Abs. 1 GmbHG haben die Gesellschafter grundsätzlich einen Anspruch auf den Jahresüberschuss zuzüglich eines Gewinnvortrags.

§ 29 Abs. 1 GmbHG

„Die Gesellschafter haben Anspruch auf den Jahresüberschuß zuzüglich eines Gewinnvortrags und abzüglich eines Verlustvortrags, …“

Bestehen ausnahmsweise gesetzliche oder gesellschaftsvertragliche Ausschüttungssperren nach § 29 Abs. 1, 2.HS. GmbHG, sind diese zu beachten.

„… soweit der sich ergebende Betrag nicht

  • nach Gesetz oder Gesellschaftsvertrag,
  • durch Beschluß nach Absatz 2 oder
  • als zusätzlicher Aufwand auf Grund des Beschlusses über die Verwendung des Ergebnisses von der Verteilung unter die Gesellschafter ausgeschlossen ist.“

Andere Gewinnverwendungen, wie beispielsweise die Einstellung des Jahresüberschusses und/oder des Gewinnvortrags in die Rücklage nach § 266 Abs. 3 A. III. HGB können nach § 29 Abs. 2 GmbHG beschlossen werden. Dadurch wird dem legitimen Interesse der Gesellschaftermehrheit an der Thesaurierung der Vorrang vor Ausschüttungsinteressen der Minderheit eingeräumt.

§ 29 Abs. 2 GmbHG

„Im Beschluß über die Verwendung des Ergebnisses können die Gesellschafter, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, Beträge in Gewinnrücklagen einstellen oder als Gewinn vortragen.“

Voraussetzungen des Gewinnausschüttungsanspruchs

Der Gewinnausschüttungsanspruch setzt

  • die Aufstellung des Jahresabschlusses durch die Geschäftsführer,
  • die Feststellung des Jahresabschlusses durch Gesellschafterbeschluss,
  • einen Gewinnausweis im Jahresabschluss und
  • den Beschluss der Gesellschafterversammlung über die Ergebnisverwendung

voraus.

Auf der Grundlage des festgestellten Jahresabschlusses wird über die Verwendung des ausgewiesenen Gewinns beschlossen. Zuständig ist die Gesellschafterversammlung (§§ 46 Nr. 1,  29 Abs. 1 S. 1 GmbHG), die – vorbehaltlich abweichender statutarischer Regelungen – den Beschluss mit einfacher Mehrheit fasst.

Mit dem Gewinnverwendungsbeschluss wandelt sich das grundsätzliche Gewinnbezugsrecht in einen konkreten klagbaren Gewinnanspruch des Gesellschafters.

Der Gewinnverwendungsbeschluss ist nicht erforderlich, wenn die Satzung auf einen Gewinnverwendungsbeschluss verzichtet. Dann ist die Feststellung des Jahresabschlusses durch Gesellschafterbeschluss maßgeblich.

Regelbarkeit im Gesellschaftsvertrag

Schon bei der Satzungsgestaltung sollte die Gewinnverwendung abgestimmt werden. Möglich sind beispielsweise

  • ein besonderes Mehrheitserfordernis oder Zustimmungspflichten zu vereinbaren,
  • die Übertragung der Entscheidung über die Gewinnverwendung auf ein anderes Gremium (etwa einen Beirat),
  • die Regelung, bestimmte Prozentsätze des Jahresergebnisses in die Rücklage einzustellen, um die Finanzkraft der Gesellschaft unabhängig vom jeweiligen Abstimmungsergebnis der Gesellschafter zu sichern,
  • eine Einigung über die Einstellung von Maximalbeträgen in die Rücklage,
  • die Sicherung des Ausschüttungsinteresses durch die Festschreibung einer Mindestdividende,
  • etc.

Eine interessengerechte Regelung zur Gewinnausschüttung ist von Anfang an anzuraten, also dann, wenn die Gesellschafter gut miteinander harmonieren und über das Verhältnis von Ausschüttung und Thesaurierung Einigkeit besteht. Ändert ein Gesellschafter zum Beispiel seine Interessen, etwa weil er aus der Geschäftsführung ausgeschieden ist und den damit einhergehenden Verzicht auf ein Geschäftsführergehalt kompensieren muss, sind Auseinandersetzungen über die Gewinnverwendung vorprogrammiert. In unserer Praxis kommt es vor, dass Gesellschafter viele Jahre erfolgreich ein Unternehmen aufgebaut haben, sich später aber über die Gewinnverwendung zerstreiten. Eine gemeinsame Fortsetzung der Gesellschaft ist dann oft undenkbar. Ähnliche Probleme tauchen beim Übergang von Familienunternehmen in die nächste Generation auf, wenn sich diese nicht in das Geschäft einbringen will, sondern einseitig hohe Gewinnausschüttungen fordert.

Patt und gesellschaftsrechtliche Treuepflicht

Im Falle eines Patts kommt eine Gewinnausschüttung nicht zustande.

Zunächst kann die Aufstellung des Jahresabschlusses Probleme bereiten, wenn beide Gesellschafter auch Geschäftsführer sind und sich nicht über den Inhalt des Jahresabschlusses, insbesondere die Bewertung von Bilanzposten einigen.

Ist nur ein Gesellschafter gleichzeitig Geschäftsführer, scheitert die Feststellung des aufgestellten Jahresabschlusses.

Ein Gewinnverwendungsbeschluss schlägt sodann am nicht festgestellten Jahresabschluss fehl, eine auf einem Gewinnvervendungsbeschluss basierende Gewinnausschüttung erst recht.

Herbeiführung der Gewinnausschüttung

Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht kann zur Verpflichtung eines Gesellschafters führen, an der Aufstellung des Jahresabschlusses mitzuwirken, der Feststellung des Jahresabschlusses sowie einer Gewinnausschüttung zuzustimmen (siehe OLG München).

Allgemein gilt in 2-Personen-GmbH für die Treuepflicht, dass

  • sich die Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft loyal verhalten,
  • ihre Zwecke aktiv fördern und Schaden von ihr fernhalten müssen,
  • die Treuepflicht nicht nur zwischen der Gesellschaft und den Gesellschaftern, sondern auch zwischen den Gesellschaftern untereinander greift,
  • bei Pattsituationen die Treuepflicht grundsätzlich nicht für den einen oder anderen Gesellschafter privilegierter wirkt, andererseits aber besonders schützenswerte Interessen des Gesellschafters zu berücksichtigen sind,
  • zwar keine Pflicht besteht, die Interessen oder persönlichen Ziele der Mitgesellschafter zu fördern, aber jeder Gesellschafter auf die achtenswerten Belange des Mitgesellschafters angemessen Rücksicht nehmen muss; insbesondere darf er seine Mitgliedschaftsrechte nicht willkürlich oder unter Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausüben.

Aufstellung des Jahresabschlusses

Der Geschäftsführer ist zur fristgemäßen Aufstellung eines Jahresabschlusses verpflichtet. Verstößt der Geschäftsführer gegen diese Pflicht, kann seine Bestellung zum Geschäftsführer widerrufen werden. Bei der Abstimmung zum Abberufungsbeschluss hat der betroffene Gesellschafter-Geschäftsführer kein Stimmrecht, weil er selbst einen wichtigen Grund für diesen Beschluss geliefert hat.

Umgekehrt ist der Gesellschafter-Geschäftsführer zur Mitwirkung an der ordnungsgemäßen Aufstellung des Jahresabschlusses aus der Treuepflicht verpflichtet.

Herbeiführung der Feststellung des Jahresabschlusses

Ein willkürliches oder substanzloses Bestreiten der Ordnungsgemäßheit von Bilanzpositionen oder des Jahresabschlusses insgesamt ist regelmäßig treuwidrig, insbesondere dann, wenn dies allein dazu dient, die Feststellung des Jahresabschlusses zu verhindern oder nicht unwesentlich zu verzögern.

Die Gesellschafter sind durch die Treuepflicht zur Mitwirkung an der Feststellung des Jahresabschlusses verpflichtet, wenn nur einzelne Bilanzposten umstritten sind, zu denen es aber aus bilanzrechtlichen Gründen keine unterschiedlichen Bewertungsmöglichkeiten gibt.

Herbeiführung des Beschlusses über die Ergebnisverwendung

Der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht kommt bei der Frage der Ergebnisverwendung Bedeutung zu. Bei einem Patt ist zunächst entscheidend, ob ein Gesellschafter einer vorgeschlagenen Gewinnausschüttung zustimmen muss bzw. bei der Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses mitzuwirken hat. Die Treuepflicht beantwortet, wie ein interessengerechter Gewinnverwendungsbeschluss ausfallen und durchgesetzt werden muss.

Im Wege einer Klage gegen die Gesellschaft kann ein Gewinnverwendungsbeschluss durch das Gericht festgestellt werden.

Möglich ist nach einer Abwägung im Einzelfall ein Gerichtsbeschluss nach billigem Ermessen analog § 315 Abs. 3 S. 2 BGB.

Diskutiert wird eine Klage, die auf eine Vollausschüttung zu richten ist, wenn bis zum Ablauf der Frist für die Feststellung des Jahresabschlusses nach § 42a Abs. 2 GmbHG kein entsprechender Beschluss gefasst wurde.

Welche Klagerichtung Erfolg verspricht und welche Gewinnausschüttung angemessen ist, muss im Einzelfall entschieden werden. Dabei ist das Interesse der Gesellschafter an einer Gewinnausschüttung mit dem Interesse der Gesellschaft an einer Rücklagenbildung sowie dem Bedürfnis der Selbstfinanzierung und Zukunftssicherung abzuwägen.

Das Ausschüttungsinteresse bedarf keiner besonderen Rechtfertigung, sondern ist grundsätzlich legitim, weil der Kapitaleinsatz des Gesellschafters und die erworbene Mitgliedschaft dieses rechtfertigen.

Zugunsten des ausschüttungswilligen Gesellschafters sind

  • deren individuelle wirtschaftliche Situation sowie
  • ihr individuelles Interesse auf Gewinnausschüttung zu betrachten, wobei bisherige Gewinnausschüttungen dort einzubeziehen sind.
  • Die konkrete Stellung des Gesellschafters in der Gesellschaft und ihm zustehende Sonderrechte z.B. in der Satzung sind zu berücksichtigen.
  • Ein Interesse an Gewinnausschüttung kann daraus entstehen, dass die Gesellschafter einbehaltene Gewinne zu versteuern haben.
  • Gesellschaftsfremde Interessen oder auch eine kaufmännisch nicht mehr vertretbare Reservenbildung durch die Gesellschaft sind nicht zu akzeptieren.
  • Zulässig ist eine Orientierung an der Wertung des § 254 Abs. 1 AktG.

Zugunsten des anderen Gesellschafters und des Unternehmens sprechen

  • das Interesse oder das Erfordernis an der Thesaurierung von Gewinnen,
  • nur angemessene Ausschüttungen, die das Unternehmen auf absehbare Zeit lebens- und widerstandsfähig halten,
  • das Erfordernis notwendiger Mittel zur Durchsetzung des Gesellschaftszwecks,
  • die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft sowie der Umfang ihrer Ausstattung mit Eigenkapital auch für eine angemessene (Investitions-) Planung und die weitere Entwicklung des Unternehmens,
  • die Abwägung, in welcher Höhe Rücklagen vorhanden und verfügbar sind,
  • der Erhalt der Kreditfähigkeit der Gesellschaft,
  • die gesamtwirtschaftliche Lage,
  • branchenspezifische Besonderheiten sowie
  • die Marktsituation und die Zukunftsprognose des Wirtschaftszweigs, in dem die Gesellschaft tätig ist,
  • der Rückstellungsbedarf durch Pensionslasten, Rechtsstreitigkeiten sowie drohende Abfindungszahlungen,
  • die hinreichend finanzielle Ausstattung im Hinblick auf erforderliche Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit
  • etc.

Die Vielzahl der dargestellten Kriterien führt zu Auseinandersetzungspotential unter den Gesellschaftern. Klare Regelungen in der Satzung können Streitpotenzial abfedern.

Unsere Empfehlungen

Vorbeugend kann eine ausgewogene Satzungsregelung die Gewinnausschüttung für die Zukunft regeln.

Die Satzung kann bestimmen, dass der Gewinn ganz oder teilweise in die Rücklage eingestellt und gegebenenfalls der andere Teil ausgeschüttet wird, wenn die Gesellschafter keinen Gewinnverwendungsbeschluss fassen. Spiegelbildlich kann die Satzung aufnehmen, dass der Gewinn ganz oder teilweise ausgeschüttet wird, wenn die Gesellschafter keinen Gewinnverwendungsbeschluss fassen.

Einzelheiten über die Höhe des einen oder anderen Teils, die Kopplung an Umsatz oder andere Erfolgsparameter, Vereinbarungen über eine disquotale Ausschüttung etc.  sind möglich.

Die Satzung weicht damit von der grundsätzlichen Erforderlichkeit des Verfahrens zur konkreten Beschlussfassung über die Gewinnverwendung ab. Dabei ist einerlei, ob ein antizipierter Beschluss mit Satzungsfeststellung vorliegt, oder auf eine Beschlussfassung über die Gewinnverwendung mit Verweis auf die Satzungsregelung verzichtet wird.

Die Entscheidung über die Gewinnausschüttung kann einem Beirat oder einem Schlichter eingeräumt werden. Gegebenenfalls ist ein Beirat einzurichten. Entscheidet der Beirat oder der Schlichter, stößt dessen Entscheidungen regelmäßig auf größere Akzeptanz bei den Gesellschaftern.

Siehe auch hier und da

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