Der Fall

In dem zwischen zwei Insolvenzverwaltern geführten Rechtsstreit begehrte die Insolvenzverwalterin der Schuldnerin (einer AG) beim Insolvenzverwalter der alleinigen Gesellschafterin gem. §§ 179 Abs. 1, 180ff. InsO die Feststellung eines Anfechtungsanspruches als Insolvenzforderung zur Tabelle.

Die Forderung, die die Insolvenzverwalterin der AG festgestellt wissen wollte, ergab sich aus dem Sachverhalt, dass die beiden Gesellschaften einen Gewinnabführungsvertrag vereinbart hatten, der die AG verpflichtete, ihren ganzen Gewinn an die Gesellschafterin (KGaA) abzuführen.

Hiernach schlossen die beiden Gesellschaften im Rahmen einer Kontokorrentvereinbarung eine Rahmenvereinbarung, dass die KGaA der AG zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen Darlehen ausreichen sollte, die diese regelmäßig, häufig auch mehrfach täglich zurückzahlte.

Auf dieser Grundlage nahmen die AG und die KGaA ständig Hin- und Herzahlungen vor, aus der sich zu verschiedenen Zeitpunkten verschiedene Salden ergaben.

Die Insolvenzverwalterin der AG meldete nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der KGaA den sich ihrer Ansicht nach aus den (aufsummierten) 610 im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag von der AG vorgenommenen Zahlungen ergebenden Anfechtungsanspruch als Insolvenzforderung zur Tabelle beim Insolvenzverwalter der KGaA an.

Der Insolvenzverwalter der KGaA bestritt dies und verteidigte sich im Rechtsstreit unter anderem mit der Begründung sämtliche von der KGaA ausgereichten Darlehen seien selbst gem. §§ 134, 133 Abs.2 InsO (a.F.) anfechtbar und deshalb stände gem. § 146 Abs. 2 InsO diese Anfechtbarkeit als Einrede einer Feststellung zur Tabelle entgegen.

Das Urteil

Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 27. Juni 2019 – IX ZR 167/18 ein weiteres Mal die Gelegenheit genutzt, ausführlich zu den Voraussetzungen und Ausgestaltungen der Anfechtungstatbestände § 135 InsO und § 134 InsO Stellung zu nehmen.

a) § 135 InsO

Er hat dabei in Hinblick auf die Regelungen des § 135 InsO nochmals klargestellt, dass jede Forderung einem Gesellschafterdarlehen gleichgestellt ist, mit der ein Gesellschafter die Rückzahlung eines von ihm aus seinem Vermögen der Gesellschaft zu Verfügung gestellten Geldbetrages zurückverlangt.

Im Hinblick hierauf hat der BGH der Klassifizierung von Zinsen als „gleichgestellte Forderung“ allerdings grundsätzlich eine Absage erteilt, sofern sie nicht erst zu außerhalb jeder verkehrsüblichen Zinstermine gezahlt werden.

Nochmals und nach diesseitiger Ansicht unmissverständlich ist der BGH darüber hinaus der oft vertretenen Ansicht, dass die in einem Kontokorrentverhältnis erfolgten Zahlungen in der Anfechtung aufsummiert werden müssen, entgegengetreten. Richtigerweise hat er statt dessen nochmals betont, dass auf den zu ermittelnden höchsten (tatsächlich) zurückgeführten Saldo abzustellen ist.

b) § 134 InsO

Im Hinblick auf § 134 InsO hat der BGH an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten und diese weiter ergänzt.

Insoweit liegt gerade keine Unentgeltlichkeit vor, wenn

– die vereinbarte angemessene Gegenleistung ausbleibt (=bisherig. Rspr.);

– beide Vertragsteile nach den objektiven Umständen der Vertragsanbahnung, der Vorüberlegungen und des Vertragsabschlusses von einem Austauschgeschäft ausgegangen sind und sich die dem Schuldner gewährte Gegenleistung aufgrund nachträglicher Prüfung als wertlos erweist (=bisherige Rspr.);

– eine einredebehaftete Forderung erfüllt wird (= neue Rspr.) oder

– zum Zeitpunkt der Vereinbarung objektiv zweifelhaft war, ob der zur Rückzahlung verpflichtete Empfänger wirtschaftlich leistungsfähig ist, wenn die rechtlich geschuldete und vereinbarte ausgleichende Gegenleistung später tatsächlich erbracht wird.

Unsere Empfehlung

Auch wenn sich dieser Rechtsstreit zwischen zwei Insolvenzverwaltern abgespielt hat, sind die Ausführungen und Begründungen des BGH gerade zu § 135 InsO für viele Arten von gesellschaftsrechtlichen Verbindungen bedeutsam. Hierauf weist der BGH selbst hin, wenn er beinahe schon lehrbuchartig doziert:

„Mit der Regelung will der Gesetzgeber in Form einer Generalklausel die vielgestaltigen Sachverhalte erfassen, welche einer Darlehensgewährung durch einen Gesellschafter wirtschaftlich entsprechen und daher im Interesse des Gläubigerschutzes den gleichen Rechtsfolgen wie ein Gesellschafterdarlehen unterworfen werden müssen (vgl. BT-Drucks. 8/3908, S. 74). Die Generalklausel der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit soll die Rechtsprechung in den Stand setzen, sämtliche nicht ausdrücklich vom Wortlaut des Gesetzes erfasste, jedoch einem Gesellschafterdarlehen vergleichbare Sachverhalte entsprechend zu beurteilen.“

Wir empfehlen daher nicht nur dem gem. der §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1, 129 Abs. 1 InsO durch den Insolvenzverwalter in Anspruch genommenen Gesellschafter einer Insolvenzschuldnerin die ihm gegenüber geltend gemachten Ansprüche genauestens durch einen auf Insolvenzanfechtungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Schließlich zeigt der Fall exemplarisch, dass auch Insolvenzverwalter, Land- und Oberlandesgerichte in der Anwendung dieser Normen ihre Schwierigkeiten haben.

Wir empfehlen darüber hinaus auch dem Gesellschafter, der sich mit dem Gedanken trägt seiner Gesellschaft ein Darlehen oder eine „gleichgestellte Forderung“ zu gewähren, sich – in Hinblick auf die potenzielle Anfechtbarkeit der sodann erfolgenden Rückzahlungen – vor deren Hingabe hierüber und über deren Ausgestaltung beraten zu lassen.

Schreiben Sie uns Ihre Meinung

Empfehlungen zum Weiterlesen