Kommanditistenhaftung in der Insolvenz
Am 25.01.2021 hat der Bundesgerichtshof eine neue Leitsatzentscheidung zur Kommanditistenhaftung nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB veröffentlicht (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19), in welcher er entschieden hat, dass
- der Kommanditist für alle solche Gesellschaftsverbindlichkeiten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind, haftet (Leitsatz). Dies betrifft vorliegend die Haftung für Gewerbesteuerforderungen, die aus der Veräußerung des Schiffes und dadurch verursachte Auflösung des Unterschiedsbetrages nach § 5a Abs. 4 S. 1 und 2 EStG (Tonnagebesteuerung) resultieren, und
- der Insolvenzverwalter nicht zum Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern befugt ist.
Haftung für Gewerbesteuer aus der Auflösung des Unterschiedsbetrages nach § 5a Abs. 4 S. 1 und 2 EStG (Tonnagebesteuerung)
Die zu klärende Frage war, ob der Kommanditist für eine aus der Auflösung des Unterschiedsbetrages zwischen Buchwert und Teilwert des Tankschiffes nach § 5a Abs. 4 S. 1 und 2 EStG resultierende Gewerbesteuerforderung haftet, wenn die, zur Auflösung des Unterschiedsbetrages führende, Veräußerung des Schiffes durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter erfolgt.
Dies hat der BGH nunmehr – unter Heranziehung des § 160 HGB (Nachhaftung des Kommanditisten) und Negierung der Maßgeblichkeit der insolvenzrechtlichen Einordnung – eindeutig dahingehend entschieden, dass der Kommanditist für diese Gewerbesteuerforderung haftet, wenn bzw. da diese Gesellschaftsverbindlichkeit durch einen vor der Insolvenzeröffnung erfolgten Wechsel der Gewinnermittlungsart vom Betriebsvermögensvergleich zu Tonnagebesteuerung begründet wurde.
2.1. Hintergrund
Ein Anspruch auf Rückzahlung von Ausschüttungen gegen den Kommanditisten aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB besteht nur dann, wenn sein Kapitalanteil durch Verlust bzw. durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert ist und seine Inanspruchnahme zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger, denen der Beklagte nach §§ 171, 172 HGB haftet, erforderlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2011 – II ZR 271/08, BGHZ 189, 45 Rn. 18 mwN).
Nach der Rechtsprechung des IX. Senats des BGH galt bisher der Grundsatz, dass ein Gesellschafter nicht für die durch den Insolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeiten haftet (vgl. BGH Urteil vom 24.09.2009 – IX ZR 234/07).
Allerdings war ungeklärt bzw. strittig, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen die nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB von den Kommanditisten eingezogenen Beträge zur Deckung von Masseverbindlichkeiten (§ 55 Abs. 1 InsO) – wie hier der Gewerbesteuerforderung – verwendet werden dürfen, wenn die Masseverbindlichkeit auf Handlungen beruht, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden.
Vorliegend stellte sich die Frage im Zusammenhang mit der Tonnagebesteuerung insbesondere da nach § 5a Abs. 4 EStG die bestehenden stillen Reserven im Zeitpunkt des Wechsels der Gewinnermittlungsart (vom Betriebsvermögensvergleich zur Tonnagebesteuerung) gesondert und einheitlich festgestellt werden, jedoch nicht bereits zu diesem Zeitpunkt, sondern erst im Zeitpunkt des Ausscheidens des Wirtschaftsgutes (Schiff) aus dem Betriebsvermögen (Veräußerung = Realisationstatbestand) der Besteuerung unterworfen werden. Der BFH qualifizierte den aus der Auflösung des Unterschiedsbetrages resultierenden Veräußerungsgewinn daher als Masseverbindlichkeit:
„Die Einkommensteuerschuld, die aus der Verwertung, hier Veräußerung, des zur Insolvenzmasse (und zum Betriebsvermögen) gehörenden Containerschiffs resultiert, ist nach der Rechtsprechung als sonstige Masseverbindlichkeit i.S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren. Diese Rechtsprechung gilt gleichermaßen für die durch die Veräußerung ausgelöste Gewerbesteuerschuld“
(BFH, Beschluss vom 27. Oktober 2016 – IV B 119/15 –, juris)
2.2. Entscheidung des BGH
Der BGH hat mit Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19 – entschieden, dass der Kommanditist für die Gewerbesteuerforderung haftet, da diese bereits im Zeitpunkt des Wechsels der Gewinnermittlungsart und der Feststellung des Unterschiedsbetrages begründet wurde. Auf die insolvenzrechtliche Einordnung komme es nicht an.
„Die persönliche Haftung des Kommanditisten nach §§171, 172 Abs.4, §161 Abs.2, §128 HGB besteht bei Insolvenz der Gesellschaft jedenfalls für solche Gesellschaftsverbindlichkeiten, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden sind. Auf die insolvenzrechtliche Einordnung dieser Verbindlichkeiten kommt es dabei nicht an.“
(BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 -II ZR 108/19, Leitsatz)
Der BGH stützt sich in seiner Entscheidung nunmehr auf die Außenhaftung entsprechend eines ausgeschiedenen Gesellschafters. Für den ausgeschiedenen Gesellschafter hat der Gesetzgeber in § 160 HGB eine gesetzliche Haftungsbeschränkung auf Altverbindlichkeiten statuiert. Aufgrund der vergleichbaren Situation des Gesellschafters bei Insolvenz der Gesellschaft beschränkt der BGH nunmehr den Umfang dessen Haftung durch eine teleologische Reduktion des § 128 HGB entsprechend § 160 HGB auf solche Gesellschaftsverbindlichkeiten („Altverbindlichkeiten“), die vor Insolvenzeröffnung bereits begründet waren.
Eine „bis dahin begründete Verbindlichkeit“ im Sinne von § 160 Abs. 1 HGB liegt nach st. Rspr. vor, wenn die Rechtsgrundlage der Verpflichtung bis zum Ausscheiden des Gesellschafters gelegt worden ist, auch wenn die daraus resultierenden einzelnen Verpflichtungen erst später entstehen und fällig werden (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 – II ZR 108/19 –, Rn. 43, mwN.).
Der BGH folgert daraus, dass es für die zu beurteilende Gewerbesteuerforderung für den Zeitpunkt der „Begründung“ der Verbindlichkeit „nicht auf die vollständige Verwirklichung des steuerauslösenden gesetzlichen Besteuerungstatbestands abzustellen ist, sondern darauf, ob der Grund der Besteuerung zu einem Zeitpunkt gelegt wurde, zu dem der Gesellschafter noch Einfluss nehmen konnte und die Führung der Gesellschaft auch zu seinem Nutzen erfolgte“ (Rn. 45). Dies ist der Zeitpunkt der Feststellung des Unterschiedsbetrages im Zuge des Wechsels der Gewinnermittlungsart und damit noch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Auf die insolvenzrechtliche Einordnung der Steuerforderung als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO komme es bei der gesellschaftsrechtlichen Abgrenzung nicht an (Rn. 51).
Keine Befugnis des Insolvenzverwalters zum Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern
Nicht zum Leitsatz erhobene, aber ebenfalls wichtige Erkenntnis bringt die Entscheidung zu der Frage, ob der Insolvenzverwalter – bei einer Publikumsgesellschaft – zum Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern befugt ist.
Dies verneint der BGH in seinem Urteil vom 15. Dezember 2020 (II ZR 108/19, Rn. 70 ff.) nunmehr ausdrücklich mit Hinweis darauf, dass der Hauptzweck des Insolvenzverfahrens in der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung liegt (vgl. § 1 Abs. 1 InsO) und sich eine Befugnis zur Durchführung eines Innenausgleiches auch nicht aus den Vorschriften zur Schlussverteilung (§ § 196 ff. InsO) entnehmen lässt.
Hinweis
Die Entscheidung ist nicht nur auf Schiffsfonds anzuwenden, sondern gelten für alle GmbH & Co. KGs in der Insolvenz.