Der BGH stellte in einem Urteil vom 10.11.2020 erfreulich praxisorientiert fest, dass ein materiell berechtigter Gesellschafter einer GmbH, der nicht mehr in deren Gesellschafterliste eingetragen ist, kein Scheingesellschafter ist. Der materiell berechtigte Gesellschafter kann deshalb z.B. über seinen Geschäftsanteil verfügen; allerdings kann er mangels formaler Gesellschafterstellung nach § 16 Abs. 1 GmbHG keine Rechte gegenüber der GmbH beanspruchen.

Der BGH urteilte insbesondere über eine wiederholende Einziehung eines Geschäftsanteils eines Gesellschafters an einer GmbH nach § 34 GmbHG, welcher bereits aus der Gesellschafterliste der GmbH gelöscht war.

Der Fall

Der Geschäftsanteil des Herrn Schmidt an einer GmbH wurde im Jahr 01 nach § 34 GmbHG eingezogen. Der Gesellschafter Schmidt wurde noch im Jahr 01 aus der Gesellschafterliste der GmbH gelöscht.

Es kamen bei der GmbH Bedenken auf, ob die Einziehung des Geschäftsanteils des Herrn Schmit im Jahr 01 wirksam war. Vorsorglich wurde der Geschäftsanteil des Herrn Schmidt an dieser GmbH im Jahr 02 nochmals nach § 34 GmbHG eingezogen. In der Folgeeinziehung wurden die wichtigen Gründe für die Einziehung wiederholt und erweitert.

Die im Jahr 01 durchgeführte Einziehung des Geschäftsanteils des Herrn Schmidt wurde im Jahr 03 vom Gericht gekippt, weil die Voraussetzungen für eine Einziehung des Geschäftsanteils nicht vorlagen.

Im Jahr 04 streiten die Parteien, ob die Einziehung aus dem Jahr 02 ins Leere ging, weil der Geschäftsanteil des Schmidt nicht mehr in der Gesellschafterliste der GmbH stand, also ein Scheingeschäftsanteil eingezogen wurde.

Das Urteil

Der BGH stellte fest, dass der Einziehungsbeschluss im Jahr 02 nicht ins Leere ging. Der BGH untermauerte seine Rechtsprechung, nach der ein materiell berechtigter Gesellschafter auch dann über Gesellschafterrechte verfügt, wenn er formal nicht in der Gesellschafterliste steht.

Die Einziehung richtete sich gegen einen existenten Geschäftsanteil, auch wenn Herr Schmidt nicht mehr in der Gesellschafterliste der GmbH stand. Eine GmbH ist insowit nicht gehindert, einen

  • nach einem möglicherweise fehlgeschlagenen Einziehungsversuch
  • einen aus der Gesellschafterliste entfernten, aber materiell weiter bestehenden Geschäftsanteil
  • aus wichtigem Grund einzuziehen.
Der neue Beschluss sei im zu entscheidenden Fall erkennbar für den Fall gefasst, dass die Unwirksamkeit des ersten Einziehungsbeschlusses im Jahr 02 festgestellt wird und der Gesellschafter Schmidt damit entgegen der Vorstellungen der GmbH noch (materiell berechtigter) Inhaber des Geschäftsanteils ist.
In dem neuerlichen, vorsorglichen  Beschluss läge kein widersprüchliches Verhalten der GmbH, vielmehr habe sie ein anerkennenswertes Interesse, Zweifel an der Wirksamkeit eines früheren Einziehungsbeschlusses durch die Neuvornahme des Beschlusses auszuräumen oder für den Fall des Fehlschlagens eines Einziehungsversuchs wegen neu aufgetretener oder bekannt gewordener Einziehungsgründe den Geschäftsanteil vorsorglich noch einmal einzuziehen.
Insboseondere sei es nicht erforderlich, vor der wiederholenden oder auch folgenden Einziehung eine korrigierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen, in der der materiell berechtigte Gesellschafter Schmidt wieder als Inhaber des einzuziehenden Geschäftsanteils eingetragen ist.
Andernfalls müsse beispielsweise der zuständige Geschäftsführer am Gericht vorbei darüber befinden, wer der wahre Gesellschafter ist. Ist der Gesellschafter Schmidt im Jahr 01 wirksam aus der GmbH entfernt worden, führe eine korrigierende Gesellschafterliste im Jahr 02 zu einer unrichtigen Hinterlegung im Handelsregister. Dieses Recht steht einem Geschäftsführer nicht zu.

Unsere Empfehlung

Das Urteil gefällt dem Praktiker.

Seit dem Urteil des OLG Bremen, Urteil vom 21.10.2011 – 2 U 43/11 herrschte bis zum Urteil des BGH Unsicherheit im Zusammenhang mit wiederholenden Einziehungsbeschlüssen nach Löschung des Gesellschafters in der Gesellschafterliste. Das OLG Bremen meinte:

„Wird ein Gesellschafter aus der Gesellschaft ausgeschlossen, der ausweislich der Gesellschafterliste zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht Gesellschafter der Gesellschaft war, geht der mit einem bloßen Scheingesellschafter sich befassende Beschluss ins Leere und ist mithin von vornherein unwirksam; …“
Mit dieser Auffassung waren nachfolgende und berechtigte Einziehungen der Geschäftsanteile an der GmbH unmöglich geworden.
Das hier vorgestellte Urteil des BGH ist von praktischen Erwägungen getragen, die zu gerechten Ergebnissen führen.
Das Urteil des BGH untermauert die Erkenntnis, wie bedeutend die personenbezogenen Eintragungen in der Gesellschafterliste einer GmbH  sind.

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