Bis zum Urteil des BGH vom 18. November 2020 – IV ZR 217/19 verneinte federführend insbesondere das  OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. Juli 2018 – I-4 U 93/16 einen Versicherungsschutz durch die D&O-Versicherung hinsichtlich eines Anspruch einer insolvent gewordenen Gesellschaft gegen ihren versicherten Geschäftsführer auf Ersatz insolvenzrechtswidrig geleisteter Zahlungen der Gesellschaft gemäß § 64 GmbHG.

Seit dem o.g. Urteil des BGH ist der nach § 64 Satz 1 GmbHG geregelte Anspruch der GmbH gegen die Geschäftsführer auf Ersatz geleisteten Zahlungen während der Insolvenzreife ein gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz im Sinne von Ziffer 1.1 ULLA.

Der Fall

Die später insolvente GmbH schloss mit der Versicherung im Jahr 2008 eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung für Geschäftsführer ab. Die Versicherungssumme ist auf 1.500.000 € für alle Versicherungsfälle eines Versicherungsjahres begrenzt. In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherung für die Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung von Unternehmensleitern und Leitenden Angestellten (ULLA) heißt es auszugsweise:

„1. Gegenstand der Versicherung

1.1 Versicherte Tätigkeit

Der Versicherer gewährt Versicherungsschutz für den Fall, dass eine versicherte Person wegen einer bei Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit bei der Versicherungsnehmerin, einem Tochterunternehmen oder einem auf Antrag mitversicherten Unternehmen begangenen Pflichtverletzung aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen für einen Vermögensschaden von der Versicherungsnehmerin oder einem Dritten (hierzu zählt auch der Insolvenzverwalter) auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird.

1.3 Versicherte Schäden

Vermögensschäden sind solche Schäden, die weder Personenschäden (Tötung, Verletzung des Körpers oder Schädigung der Gesundheit von Menschen) noch Sachschäden (Beschädigung, Verderben, Vernichtung oder Abhandenkommen von Sachen) sind noch sich aus solchen Schäden herleiten.“

Der Insolvenzverwalter verlangte von der Versicherung den Ersatz der Schäden die durch verbotene Zahlungen des Geschäftsführers nach § 64 Abs. 1 GmbHG ausgeführt wurden.

Das Urteil

Der BGH erteilte der OLG-Rechtsprechung eine Absage und die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Versicherung anders ausgelegt.

„Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht.
Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an.
In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind …
Liegt … eine Versicherung für fremde Rechnung vor …, kommt es daneben auch auf die Verständnismöglichkeiten durchschnittlicher Versicherter und ihre Interessen an.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass der typische Adressaten- und Versichertenkreis in der D&O-Versicherung geschäftserfahren und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertraut ist.“
Konkret lässt der BGH wissen:
„Ausgehend vom Wortlaut der Klausel und dem für den Geschäftsführer und der GmbH erkennbaren Zweck der D&O-Versicherung wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte entgegen der Auffassung des OLG Düsseldorf den Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG … als Schadensersatzanspruch im Sinne der Versicherungsbedingungen ansehen.
Es kann auch von einem geschäftserfahrenen und mit Allgemeinen Geschäftsbedingungen vertrauten, dennoch nicht juristisch oder versicherungsrechtlich vorgebildeten Versicherungsnehmer/Versicherten einer D&O-Versicherung weder diese komplexe rechtsdogmatische Einordnung des Anspruchs aus § 64 Satz 1 GmbHG noch ein darauf gestütztes Verständnis des in Ziffer 1.1 ULLA formulierten Leistungsversprechens erwartet werden.
Der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte kann und muss mithin solche rechtsdogmatischen Überlegungen beim Bemühen um das Verständnis von Ziffer 1.1 ULLA nicht anstellen. Dies gilt auch für die von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angesprochene Erwägung, eine bedingungsgemäße Ausübung der organschaftlichen Tätigkeit liege nicht vor, weil den Versicherten die verletzte Pflicht „qua Stellung“ treffe.“

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