Gewerbemietvertrag wegen Störung der Geschäftsgrundlage neu verhandeln
Der Mietvertrag zwischen Vermieter und gewerblichem Mieter kann wegen einer gesetzlichen Vermutung neu verhandelbar sein, § 313 BGB.
Wenn gewerbliche Mietobjekte infolge staatlicher Pandemiebekämpfung nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen nutzbar sind, gilt die gesetzliche Vermutung, dass sich die Geschäftsgrundlage für den abgeschlosenen Mietvertrag schwerwiegend geändert hat, Art. 240 § 7 EGBGB. Die gesetzliche Vermutung macht es dem Mieter erheblich leichter, den Vermieter zur Neuverhandlung des Mietvertrags an den Verhandlungstisch zu holen.
Eine ausgewogene Risikoverteilung ist für Änderungen im Mietvertrag förderlich.
Streiten sich die Vertragsparteien vor dem Gericht, greift ein Vorrang- und Beschleunigungsgebot für das Verfahren.
Idealerweise verbindet der Mieter ausgehandelte Mieterlasse etc. mit einer Sanierungsmoderation nach §§ 94 ff. StaRUG, um steuerfreie Sanierungsgewinne zu erwirtschaften.
Wortlaut des § 313 BGB
Störung der Geschäftsgrundlage
(1) Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.
(2) Einer Veränderung der Umstände steht es gleich, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch herausstellen.
(3) Ist eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar, so kann der benachteiligte Teil vom Vertrag zurücktreten. An die Stelle des Rücktrittsrechts tritt für Dauerschuldverhältnisse das Recht zur Kündigung.“
Wortlaut des Art. 240 § 7 EGBGB
Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen
(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.
(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend an-zuwenden.“
Wortlaut des § 44 EGZPO
(1) Verfahren über die Anpassung der Miete oder Pacht für Grundstücke oder Räume, die keine Wohnräume sind, wegen staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie sind vorrangig und beschleunigt zu behandeln.
(2) In Verfahren nach Absatz 1 soll ein früher erster Termin spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.“
Verhandlungspositionen der Parteien
Mit Art. 240 § 7 EGBGB und § 44 EGZPO steht fest, dass in der Pandemiebekämpfung grundsätzlich eine Störung der Geschäftsgrundlage für ein Mietverhältnis vermutet wird. Ein Mietminderungsanspruch kann aus dieser Vermutung aber nicht pauschal geltend gemacht werden. Dennoch ist die Verhandlungsposition der Gewerbemieter im Zusammenhang mit einer Störung der Geschäftsgrundlage gestärkt worden. Die Regelung fordert zur Verhandlungsbereitschaft der Vertragsparteien auf.
5.1. Eingriff in das Mietverhältnis durch staatliche Maßnahme
Art. 240 greift nur bei staatlichen Maßnahmen wie eine an die Gewerbetreibenden gerichtete rechtmäßige Schließungsanordnung, beispielsweise während einer COVID-19-Pandemie. 7 EGBGB
5.2. Was hätten die Mietparteien vereinbart, wenn sie die Schließungsanordnung als einschränkende staatliche Maßnahme vorausgesehen kätten?
Hätten die Mietparteien die staatlichen, stark einschränkenden Maßnahmen vorhergesehen (hypothetisches Element des Parteiwillens), hätte sich der Gewerberaumieter nicht auf denselben, bereits abgeschlossenen Mietvertrag eingelassen. Der Mieter hätte zum Beispiel eine Staffelung des Mietpreises je nach Stufe der Einschränkungen gefordert. Der faire Vermieter hätte den Argumenten des Mieters nicht widersprochen.
Nun fragt sich, ob es dem Mieter zuzumuten ist, bei Eingriff durch staatliche Maßnahmen am unveränderten Mietvertrag unter Berücksichtigung der Risikoverteilung zwischen Vermieter und Mieter festzuhalten (normatives Element). Grundsätzlich trägt der Mieter das Risiko, dass er die Mietsache nicht verwenden kann. Unvorhersehbare Risiken (Höhere Gewalt, Krieg oder Pandemie) sollen dagegen nicht allein durch den einen oder den anderen Mietvertragspartner getragen werden.
5.3. Welche Mietvertragsanpassungen sind für beide Mietvertragsparteien zumutbar?
Grundlage der Neuverteilung der Rechte und Pflichten im Mietvertrag ist die Feststellung, dass sich ein Risiko realisiert, auf welches grundsätzlich keiner der Vertragsparteien des Mietvertrags einen Einfluss hat. Deshalb ist eine Risikoverteilung beiden Parteien des Mietvertrags grundsätzlich auch zuzumuten.
Auf die persönlichen und wirtschaftlichen Lebensumstände der Parteien des Mietvertrags kommt es nur in Ausnahmekonstellationen an.
Das Austauschverhältnis im Rahmen des Mietvertrags bleibt bei seiner Anpassung im Mittelpunkt.
Verhandlungsergebnisse
6.1. Verhandlungen über die Anpassung des Mietvertrags
Verhandlungen über den Mietvertrag können beispielsweise zu folgenden Ergebnissen führen:
- Festhalten am Status Quo,
- Stundung der offenen Mietzahlungen
- Herabsetzung des oder Stufenplan zur Höhe des herabgesetzten Mietzinses
- Erlass der fälligen Miete,
- Erlass oder Herabsetzen der Miete für eine gewisse Zeit in der Zukunft und
- Recht auf Kündigung (in ganz seltenen Fällen denkbar).
Die Herabsetzung der Miete wird regelmäßig erfolgreich verhandelt werden können. Im Grundsatz ist von einer hälftigen Verteilung der mit der Pandemieabwehr einhergehenden Verwendungsrisiken von Gewerberäumen zwischen den Mietvertragsparteien auszugehen, (LG München I). Die Verteilung des Risikos ist Ausfluss der Störung der Geschäftsgrundlage.
In die Verhandlungen zur Anpassung des Mietvertrags werden Unterstützungsmaßnahmen, wie
- der Zuschuss über das Darlehen bis zur Bürgschaft reichen,
- der Erstattung konkreter Miete bis zu allgemeiner Unterstützung des Unternehmens,
- der Beteiligungen des Staates an dem Unternehmen,
- einer Betriebsunterbrechungsversicherung usw.
zu berücksichtigen sein.
6.2. zumutbare Dauer bzw. Zeitfaktor
Es ist unklar, wie lange es dem Mieter zumutbar ist, ohne Mietanpassung auskommen zu müssen. Zu berücksichtigen sind beim Lockdown
- die vollständige Schließung des Mietobjekts,
- Einschränkungen des Warenangebots,
- die Beschränkung der Besucherzahlen im Mietobjekt (Abstandsgebot),
- Beschränkung der Anwesenheit der Mitarbeiter,
- die Maskenpflicht usw.
Zeitlicher Maßstab sind die staatlichen Einschränkungen, also seit Beginn der Covid-19-Pandemie. Die Miete steht damit für den gesamten Zeitraum seit März 2020 infrage und kann nachträglich herabgesetzt werden.
6.3. Anwendungsbereich der Vertragsanpassung
Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf Grundstücke und Räume, soweit sie nicht Wohnzwecken dienen. Anzuwenden sind oben beschriebene Regelungen
- auf Gewerberäume,
- auf Stätten von Kultur und Sport („Freizeitzwecke“) oder
- auf reine Büroflächen.
Streiten sich die Parteien des Mietvertrags, soll ein beschleunigtes Gerichtsverfahren Klarheit bringen. Der erste Gerichtstermin soll spätestens einen Monat nach Zustellung der Klageschrift stattfinden.
Liegt eine Zahlungsklage bei Gericht, steht dem Mieter die Einrede der Mietanpassung zu.
Steuerliche Vorteile im Rahmen einer Unternehmenssanierung
Die Verhandlung mit dem Vermieter kann zur Erzielung eines steuerfreien Sanierungsgewinns genutzt werden.
Eine Möglichkeit bietet eine Sanierungsmoderation nach dem StaRUG, siehe dort.
Ein gerichtsbestätigter Sanierungsvergleich lässt steuerfreie Sanierungsgewinne zu. Steuerfreie Sanierungsgewinne haben wir ausführlich auf den Seiten zum StaRUG erläutert.
Thüringen, Januar 2021
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