Schenkungsteuer bei Ausschluss aus einer Genossenschaft – eine oft übersehene Gefahr
Die Schenkungsteuer ist ein Thema, das bei Entscheidungen innerhalb von Genossenschaften häufig unterschätzt wird. Besonders heikel kann es werden, wenn ein Mitglied aus der Genossenschaft ausgeschlossen wird – vor allem dann, wenn das Vermögen der Genossenschaft groß und die Mietgliederzahl klein ist.
Worum geht es?
In einem aktuellen Fall aus unserer Praxis wurde gegen ein Mitglied einer landwirtschaftlichen Genossenschaft der Ausschluss durch Vorstand und Aufichtsrat beschlossen. Der Ausschlussbeschluss kann nicht nur emotionale und interne Konsequenzen, sondern auch erhebliche steuerliche Folgen – und zwar nicht für das ausgeschlossene Mitglied, sondern für die verbleibenden Mitglieder der Genossenschaft haben.
Was ist passiert?
Das ausgeschlossene Mitglied hat 31 Anteile von insgesamt 114 Anteilen an der Genossenschaft. Diese 31 Anteile sind – gemessen am tatsächlichen Unternehmenswert der eG von 50 Millionen Euro – rund 13,6 Millionen Euro wert. Aufgrund der Satzung erhält das Mitglied als Abfindung aber nur den sogenannten „Nennwert“ eines Genossenschaftsanteils in Höhe von 3.100 Euro, also insgesamt 96.100 Euro. Die Differenz zwischen tatsächlichem Anteilswert und Nennbetrag – mithin rund 13,5 Millionen Euro – bleibt somit in der Genossenschaft und kommt den übrigen Mitgliedern im sog. Weg einer Anwachsung zugute.
Warum ist das steuerlich relevant?
Die übrigen Mitglieder mit den restlichen 83 Genossenschaftsanteilen erhalten durch diesen Vorgang faktisch einen Vermögenszuwachs von rund 13,5 Millionen Euro – ohne eine Gegenleistung zu erbringen. Aus Sicht des Finanzamts liegt in dem hier besprochenen Fall eine sogenannte Schenkung unter Lebenden vor. Das kann zu erheblicher Schenkungsteuer führen.
Ein Rechenbeispiel:
Die Genossenschaft hat 61 Mitglieder mit 114 Genossenschaftsanteilen. Nach dem Ausschluss wären es noch 60 Mitglieder mit 83 Genossenschaftsanteilen.
Die 13,5 Millionen Euro „nicht ausgezahltes Vermögen“ des betroffenen Mitglieds verteilen sich rechnerisch auf die 83 verbleibenden Genossenschaftsanteile – also 162.700 Euro pro Genossenschaftsanteil.
Da zwischen den Genossen keine Verwandtschaft besteht, gilt die ungünstigste Steuerklasse III mit einem Freibetrag von nur 20.000 Euro pro Genosse.
Unterschiedliche Schenkungssteuer bei unterschiedlicher Anzahl der Genossenschafsanteile
a) erster Fall: nur 1 Genossenschaftsanteil
Für die Genossen, die nur 1 Genossenschaftsanteil halten, ist ein Betrag in Höhe von 142.700 Euro steuerpflichtig (162.700 Euro abzgl. 20.000 Euro Freibetrag). Bei einem Steuersatz von 30 % sind also 42.810 Euro (142.700 Euro x 30%) an das Finanzamt zu zahlen.
b) zweiter Fall: mehrere Genossenschaftsanteile
Hält ein Genosse mehrere Anteile, zum Beispiel 5 Anteile, beträgt der Wertzuwachs bei diesem Mitglied 813.500 Euro (162.700 Euro x 5).
Nach Abzug des Freibetrags sind 793.500 Euro steuerpflichtig (813.500 Euro abzgl. 20.000 Euro Freibetrag). Bei einem Steuersatz von 30 % sind also 238.050 Euro (793.500 Euro x 30%) an das Finanzamt zu zahlen.
Hätten Vorstand und Aufsichtsrat das verhindern müssen?
Ja. Vorstand und Aufsichtsrat hätten die Mitglieder vor dem Ausschlussbeschluss über diese Konsequenzen aufklären müssen. Das ist nicht geschehen. Insofern besteht die Möglichkeit, dass Vorstand und Aufsichtsrat für einen entstehenden Schaden haftbar gemacht werden können.
Was sagt die Rechtsprechung dazu?
Nach einem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 10. April 2024 (Az. II R 22/21) ist es unerheblich, ob die verbleibenden Genossen wussten, dass sie von dem Ausschlussbeschluss profitieren. Es reicht aus, dass ein objektiver Vermögensvorteil entsteht – also ein Zugewinn, für den keine Gegenleistung erbracht wird.
Rechtsgrundlage ist unter anderem § 7 Abs. 7, 8 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Diese Vorschrift stellt klar, dass auch der unentgeltliche Übergang von Genossenschaftsanteilen (z. B. durch Ausschlussbeschluss mit niedriger Abfindung) eine Schenkung darstellen kann.
Fazit:
Ein Ausschluss aus der Genossenschaft kann unerwartete steuerliche Folgen haben – nicht für den Ausgeschlossenen, sondern für die übrigen Mitglieder. Besonders in vermögenden Genossenschaften mit kleiner Mitgliederzahl – wie in unserem Beispiel – kann dies zu erheblichen Steuerzahlungen führen. Entscheidungen über Ausschlussbeschlüsse sollten daher sorgfältig abgewogen und die Mitglieder im Vorfeld über die steuerlichen Folgen umfassend informiert werden.
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