Schenkungssteuerpflicht aufgrund Werterhöhung der Genossenschaftsanteile
Wir stellen in unserer Praxis immer wieder fest, dass Wertveränderungen von Genossenschaftsanteilen in der Genossenschaft vorgenommen werden, ohne auf die steuerlichen Folgen für die Genossenschaftsmitglieder insbesondere bei Werterhöhungen zu achten. Im Mittelpunkt steht die Schenkungssteuer nach § 7 Abs. 8 ErbStG.
Wertveränderungen durch Gewinnerzielung
Wertveränderungen von Genossenschaftsanteilen können durch erfolgreiche oder nicht erfolgreiche Jahresergebnisse entstehen. Jahresüberschüsse werden in diesen normalen Fällen auf der Ebene der Genossenschaft und bei Dividendenzahlungen auch auf der Ebene der Genossenschaftsmitglieder gewinnversteuert. Dieser Mechanismus ist den Genossenschaften und Genossenschaftsmitgliedern ausreichend bekannt.
Wertveränderungen durch Verwässerung
Wertveränderungen von Genossenschaftsanteilen entstehen bei sogenannter wirtschaftlicher Verwässerung von Genossenschaftsanteilen durch Neuzeichnung von Genossenschaftsanteilen und Einzahlung nur des Nennbetrags des Geschäftsguthabens/Geschäftsanteile. Ein einfaches Beispiel zur Verwässerung des Werts von Genossenschaftsanteilen lesen Sie hier unter der Überschrift „Ein einfaches Beispiel:“
Neuzeichner zahlen – um Genossenschaftsmitglieder werden zu dürfen – den Nennbetrag des Geschäftsguthabens ein. Die Summe aller Geschäftsguthaben der Genossenschaft ist aber ein Vielfaches Wert als der Nennbetrag. Von dieser Konstellation profitiert der Neuzeichner. Sein neues Geschäftsguthaben ist sofort mehr wert als sein eingezahlter Nennbetrag. Den Vorteil des Neuzeichners zahlen die anderen Genossenschaftsmitglieder durch eine Herabsetzung ihres Antelswertes, was man auch als Verwässerung bezeichnet (siehe hier „Ein einfaches Beispiel. ) Der Neuzeichner ist zur Zahlung von Schenkungssteuer in Höhe des eingetretenen Wertvorteils (Werterhöhung) verpflichtet.
Wertveränderungen durch Werterhöhung
Ein weiterer Fall der Wertveränderung von Genossenschaftsanteilen entsteht durch eine Werterhöhung der Geschäftsguthaben/Geschäftsanteile. In diesen Fällen ist das Genossenschaftsmitglied nach § 7 Abs. 8 ErbStG zur Zahlung von Schenkungssteuer verpflichtet.
Fallbeispiel
In einer Genossenschaft wurden insgesamt 100 Geschäftsguthaben/Geschäftsanteile je zu einem Nennbetrag von EUR 3.000,00 nach §§ 15, 15a und 30 GenG gezeichnet. Die 100 Geschäftsguthaben/Geschäftsanteile sind in unterschiedlicher Anzahl an die Genossenschaftsmitglieder verteilt.
Ein Genossenschaftsmitglied verfügt allein über insgesamt 25 Geschäftsguthaben/Geschäftsanteile und ist damit mit 25% an der Genossenschaft beteiligt.
Für die Genossenschaft wurde ein Unternehmenswert von EUR 50 Mio. errechnet. Auf ein Geschäftsguthaben/Genossenschaftsanteil entfällt also ein Wert von EUR 500.000,00.
Der Vorstand hat das Genossenschaftsmitglied mit den 25 Geschäftsguthaben/Geschäftsanteile ausgeschlossen. Nach Rückzahlung des Geschäftsguthabens nach § 73 GenG wurde die Beteiligung dieses Genossen aus der Mitgliederliste gestrichen.
Ab sofort gibt es nur nach 75 Geschäftsguthaben/Geschäftsanteile.
Der Wert der Genossenschaft hat sich durch den Ausschluss des Mitglieds mit 25 Anteilen nicht verändert, sieht man von der Rückzahlung des Geschäftsguthabens ab (25 x EUR 3.000,00 = EUR 75.000,00) ab. Die Genossenschaft ist weiterhin EUR. 50 Mio. wert. Allerdings ist der Wert der Genossenschaft nicht mehr auf 100 Geschäftsguthaben/Genossenschaftsanteile zu verteilen, sondern nur noch auf 75 Geschäftsguthaben/Genossenschaftsanteile.
EUR 50 Mio. geteilt durch 75 Anteile sind EUR 666.700.00.
Betrug der Wert eines Sie hier unter der Überschrift „Ein einfaches Beispiel vor dem Ausschluss des Mitglieds noch EUR 500.000,00 (weil 100 Anteile), stieg der Wert desselben Anteils nach dem Ausschluss des einen Mitglieds von EUR 500.000,00 um EUR 166.700,00 auf EUR 666.700.00 (weil nur noch 75 Anteile vorhanden sind).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhof, insbesondere der Urteils des BFH vom 10.04.2024, Aktenzeichen II R 22/21, entfallen auf die Wererhöhung der einzelnen Geschäftsguthaben/Geschäftsanteilen um EUR 166.700,00 für alle verbleibenden Mitglieder 30% Schenkungssteuer (= EUR 50.100,00). Jedes Genossenschaftmitglied muss für jedes von ihm gehaltenes Geschäftsguthaben/Geschäftsanteil nach diesem Beispielsfall EUR 50.100,00 Schenkungssteuer zahlen. Die Schenkungssteuer ist beim Finanzamt rechtzeitig anzumelden.
Der Vorstand und der Aufsichtsrat hat die Genossenschaftsmitglieder über Schenkungsteuer auslösende Wertveränderungen, insbesondere Werterhöhungen der Anteile zu informieren. Wir kennen keinen Fall aus der Praxis, bei dem Schenkungssteuerpflicht vom Vorstand oder Aufsichtsrat beachtet wird.
Unsere Empfehlung
Achten Sie als Genossenschaftsmitglied bei jeder Veränderung in der Mitgliederstruktur der Genossenschaft, dass es nicht zu Wertveränderungen in Ihren Geschäftsguthabens/Geschäftsanteilen kommt, um Schenkungssteuer zu vermeiden.