Gegenüber der Gesellschaft bzw. dem Insolvenzverwalter
Die Organhaftung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bezeichnet zuvörderst die Innenansprüche einer Gesellschaft, die der Insolvenzverwalter gegen das die Gesellschaft im Rechtsverkehr vertretende Handlungs- bzw. Vertretungsorgan wegen begangener Pflichtverletzungen geltend macht.
Die dabei wohl schwerste Pflichtverletzung, die der Gesetzgeber für die Vertreter einer juristischen Person normiert hat, ist das Nicht- bzw. verspätete Stellen eines notwendigen Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, § 15a Abs. 1 S. 1 InsO – die sogenannte Insolvenzverschleppung.
Wird ein solcher Antrag nicht gestellt, dann hat der Gesetzgeber dafür vorgesehen, dass die handelnden Organe der jeweiligen Gesellschaft hierfür haften sollen, vgl. gemäß § 64 S. 1 GmbHG der Geschäftsführer einer GmbH; gemäß §§ 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. 92 Abs. 2 AktG der Vorstand einer Aktiengesellschaft, gemäß § 42 Abs. 2 S. 2 BGB der Vorstand eines Vereins und/oder auch gem. § 130a Abs. 2 S. 1 HGB der Geschäftsführer der Verwaltungs-GmbH einer Kommanditgesellschaft.
Daneben gibt es selbstverständlich auch noch weitere mögliche Pflichtverletzungen, wegen deren Vorliegen der Insolvenzverwalter vom Vertretungsorgan einen Schadensersatz verlangen kann, bspw. gem. der §§ 43 Abs. 1,2 GmbHG oder auch 93 Abs. 1,3 AktG.
Tatbestandsvoraussetzungen der Ersatzpflicht
Die wichtigste – vom Insolvenzverwalter in einem Rechtsstreit zu beweisende – Tatbestandsvoraussetzung ist dabei das Vorliegen der vom Insolvenzverwalter für einen bestimmten Zeitpunkt behaupteten Insolvenzreife der Gesellschaft, entweder aufgrund einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit gemäß § 17 InsO oder einer festgestellten insolvenzrechtlichen Überschuldung nach § 19 InsO.
Sowohl die Zahlungsunfähigkeit:
„Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen“, § 17 Abs. 2 S. 1 InsO,
als auch die Überschuldung:
„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“, § 19 Abs. 2 S. 1 InsO,
werden in der Insolvenzordnung legaldefiniert. Auf die verschiedenen Arten diese sogenannten Insolvenzantragsgründe zu ermitteln, soll an anderer Stelle noch vertieft eingegangen werden.
Hat der Insolvenzverwalter diese Tatbestandsvoraussetzung sowie die von ihm erstattet, d.h. zurück, verlangten streitgegenständlichen Zahlungen bewiesen, so neigt sich nun Justicia‘s Waage zuungunsten des in Anspruch genommenen Handlungsorgans der Gesellschaft.
Exculpationsmöglichkeit des Handlungsorgans
Dem so unter Zugzwang gesetzten Handlungs- und Vertretungsorgan der insolventen Gesellschaft bieten sich – nachdem der Insolvenzverwalter seine Darlegungs- und Beweislasten erfüllt hat – noch 2 mögliche Verteidigungsstrategien.
1.2.1. Zum einen – hierin sind sich die gesetzlichen Regelungen alle einig – unterfallen der Ersatzpflicht solche Zahlungen nicht, die „mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters, §§ 92 AktG und § 130a HGB, bzw. Geschäftsmannes, § 64 GmbHG, vereinbar sind.“
Dieses Merkmal hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in den letzten 20 Jahren immer wieder und immer detaillierter ausgeformt, vgl. BGH, Urt. v. 08.01.2001 – II ZR 88/99; BGH, Beschluss v. 05.11.2007 – II ZR 262/06; BGH, Urt. v. 25.01.2011 – II ZR 196/09; BGH, Urt. v. 04.07.2017 – II ZR 319/15.
1.2.2. Zum anderen werden nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes solche Zahlungen von der Erstattungsverpflichtung ausgenommen, die im unmittelbaren Zusammenhang durch eine Gegenleistung ausgeglichen worden sind, vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 04.07.2017 – II ZR 319/15 oder auch zuvor BGH, Urt. v. 18.11.2014 – II ZR 231/13.
Beide Verteidigungsvarianten erfordern jedoch eine detaillierte und meist später in einem Insolvenzverfahren für das Vertretungsorgan nicht mehr zu organisierende Unterlagenlage, die es erforderlich macht, hier bereits möglichst frühzeitig an die Beweissicherung zu denken und diese vorzubereiten.
Einstandspflicht gegenüber Dritten
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass im Rahmen eines Insolvenzverfahrens der Insolvenzverwalter nicht der einzige ist, der an die Handlungs- und Vertretungsorgane der Gesellschaft herantritt, um diese in Haftung zu nehmen.
Auch Krankenkassen, das Finanzamt und/oder auch andere privilegierte Gläubiger, wie bspw. Banken, versuchen durch die persönliche Inanspruchnahme des Geschäftsführers/Vorstandes ihre Verluste, d.h. Insolvenzforderungen, so gering wie möglich zu halten.
Im Rahmen der sogenannten Vertreterhaftung machen das Finanzamt, gem. §§ 69, 34 AO, die Krankenkassen als Einzugsstellen der Sozialabgaben der Arbeitnehmeranteile, gem. §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 266a, 14 StGB, und bspw. auch Banken aus persönlich abgegebenen Bürgschaften, gem. §§ 765ff. BGB, zeitgleich die Haftung gegen das Vertretungsorgan geltend und melden ihre Forderungen im Insolvenzverfahren gem. §§ 38 i.V.m. 174ff. InsO zur Tabelle an.
Unsere Empfehlungen
Im Ergebnis dieser Ausführungen kann nur jedem Vertreter einer Gesellschaft, obgleich Geschäftsführer, Vorstand, Aufsichtsrat und/oder Präsident, angeraten werden, sich spätestens ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung höchstpersönlich rechtlich beraten und ggf. auch begleiten zu lassen.
Denn eines sollte stets bedacht werden, die Inanspruchnahme als ehemaliges Vertretungsorgan der Gesellschaft ist im Rahmen einer ordnungsgemäßen Insolvenzverwaltung so sicher wie das Amen in der Kirche.
Die Prüfung und Durchsetzung von Erstattungs- und Schadenersatzansprüchen gegen das ehemalige Vertretungsorgan der Gesellschaft gehören zum absoluten Pflichtprogramm eines jeden Insolvenzverwalters.
Gern beraten wir Sie hierzu und unterstützen Sie gegenüber dem Insolvenzverwalter, gegenüber der Staatsanwaltschaft und/oder auch Gesellschaftsdritten.
Sie haben Fragen, befürchten Unklarheiten oder möchten Anmerkungen zu unseren Ausführungen machen, dann kontaktieren Sie uns gerne über die hierfür zur Verfügung stehenden Kanäle.